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Das grosse Comic-Lexikon

Das Internet hat eine neue Art von Journalisten hervorgebracht. Recherche sah in der Zeit vor dem World Wide Web meist so aus, dass sich der Schreiberling mühsam durch Literatur kämpfte, um bei ungeklärten Fragen das Gefundene mit Originalquellen und Experten zu validieren. Heute genügt die Eingabe eines Begriffs in eine Internet-Suchmaschine, um an gewaltige Mengen an Informationen zu gelangen. Es stellt sich aber die Frage, wie zuverlässig diese sind. Und wie sorgfältig der Autor mit den gefundenen Ergebnissen umgeht, diese einordnet und auf Plausibilität überprüft. Denn Recherche sollte gerade in Zeiten der fast unbegrenzten Verfügbarkeit von Informationen mehr sein, als nur das Zusammentragen und Zusammenfassen möglichst großer Mengen an Material.

Marcel Feige, der Autor des nun vorliegenden Buches, Das grosse Comic-Lexikon, ist seiner journalistischen Sorgfaltspflicht leider in vielen Punkten nicht nachgekommen. Sicher: Das Internet als ein effizientes Recherchemedium zu nutzen, ist durchaus legitim. Dass vieles daraus stammt, betont der Autor auch freimütig im Vorwort. Auch, dass die Arbeit wegen oftmals "widersprüchlicher Ergebnisse" auf zahlreichen Sites "mitunter nicht einfach war". Dennoch hat es sich Feige einfach gemacht: In dem Buch finden sich zahlreiche Fehler, schiefe Behauptungen und Beiträge, die genau an den falschen Stellen gravierende Lücken aufweisen - während Redundantes oftmals breitgetreten wird.

Auch das Gegenchecken des Geschriebenen war offensichtlich zu aufwändig. Der geübte Leser merkt dies dank der zahlreichen Verweise zu anderen Einträgen recht schnell. Feige behauptet etwa, die Serie Spirou habe Fournier 1957 von Franquin übernommen. Der entsprechenden Eintrag zum Zeichner lässt das korrekte Datum dann aber doch erahnen (ein Jahr nach dessen Debut mit Bizu 1967). Dass vor Franquin auch Jijé an der Serie arbeitete, unterschlägt der Autor - obwohl sich entsprechende Infos in einem Jijé-Eintrag finden. Dafür habe dessen Vorgänger Rob Vel das Magazin gegründet. Falsch. Die Serie stammt von ihm, gegründet wurde die Zeitschrift vom Verlagshaus Dupuis. Zum Marsupilami schreibt Feige, dass es "eine derart große Resonanz (erlebte), dass es 1987 eine eigene Serie erhält". Die Aussage ist zwar in der Sache richtig, impliziert aber, die Resonanz sei erst 1987 groß genug für diesen Schritt gewesen.

Es mag zutreffen, dass jede dieser Ungenauigkeiten für sich gesehen zu vernachlässigen ist. Doch deren Häufung, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht, lässt Zweifel an dem fundierten Halbwissen des Experten aufkommen: Weder erscheint Cerebus schon seit 30 Jahren, noch hat der "Comic-Zeichner" Rolf Kauka Fix und Foxi bereits 1952 erfunden. Und der Nick Knatterton-Schöpfer heißt nicht Martin sondern Manfred Schmidt. Marcel Gotlib wird tatsächlich ohne "ie" geschrieben - Nicht die Verlage haben sich allesamt vertippt, Herr Feige. Dass der Autor aus Winsor McCays "Dreams of a Rarebit Fiend" dann "Dreams of a Ravehit Fiend" macht, entbehrt dagegen nicht eines gewissen unfreiwilligen Humors: Vom Autor erschien im selben Verlag auch "Deep in Techno - Die ganze Geschichte des Movements".

Falsch ist auch, dass John Bolton die Comic-Adaption des Horror-Klassikers von Anne Rice, The Vampire Lestat, gezeichnet hat - von ihm stammen nur die Cover. Gleiches beim Eintrag über Doom Patrol, bei der der zeitweilige Cover-Artist Simon Bisley auch für den gesamten Inhalt der Grant Morrison-Nummern verantwortlich gemacht wird. Feige genügt bei seiner Recherche oftmals ein flüchtiger Blick auf das Titelbild, um fundiertes Wissen über ein Werk zu erlangen. Mike Mignola, einer der wesentlichen Erneuerer der amerikanischen Independent-Szene wurde dem Autor zufolge am "?" geboren. Richtiger erscheint uns das Jahr 1962.

Der Auswahl der Einträge seien wegen des Umfangs des Buches "logischerweise Grenzen gesetzt", schreibt Feige schon im Vorwort. Er wolle sich deshalb auf herausragende und charakteristische Personen, Autoren, Serien und Künstler sowie deren Werke beschränken. Doch auch das ist ihm nicht gelungen. Erstens fehlen etliche durchaus nicht unwichtige Einträge, andererseits verliert sich der Autor oft in Unwesentlichem: Die Aufzählung aller Titel der "Illustrierten Klassiker" aus dem Bildschriften-Verlag findet der Leser zum Beispiel auch in Hethkes Preiskatalog. Warum der Autor dann auf die neuen Hethke-Bände dieser Serie verzichtet, bleibt unklar - hätten sich doch noch einmal mindestens eineinhalb Seiten schinden lassen. Wem nützen zehneinhalb Seiten über Yps, davon die blanke Auflistung von 1.253 Gimmicks? Auf der anderen Seite ganze acht Zeilen über Zack, wobei nur auf das Relaunch des im übrigen sehr bedeutenden Magazins eingegangen wird. Warum findet der Leser zahlreiche umfangreiche aber weitgehend nichtssagende Charakterisierungen der meisten Kauka- und Disney-Figuren, wo auf der anderen Seite etliche Serien und Künstler fehlen? Warum Schultheiss aber nicht Scheuer? Warum Lehner aber nicht Goetze; Wäscher, aber nicht Kellermann, Comixene aber nicht Comic Forum? Und wenn Feige die inzwischen sehr erfolgreichen Mangas als wesentlich für die Zukunft des Mediums einstuft, hätte er diesen auch deutlich mehr Gewicht verleihen müssen.

Das Buch lässt sowohl die Geschichte als auch die Ausprägungen des Mediums Comic in einem falschen Licht erscheinen. Massig Fehler, Lücken und falsch hergeleitete Zusammenhänge. Einem Fanzine darf so etwas verziehen werden, aber nicht einem zumindest physikalisch gewichtigen Comic-Lexikon, das naturgemäß einen universellen Anspruch erhebt. So gesehen ist Feiges Buch mehr als ein Ärgernis. Denn die sicherlich nicht geringe Verbreitung wird zu einem Schneeballeffekt führen: Wenig an Comics interessierte Journalisten werden falsche Infos abschreiben, Studenten werden in wissenschaftlichen Arbeiten die halbgaren Weisheiten des Autors zitieren. Die echten Experten sind jetzt unter Zugzwang: Sie müssten bald ein wirklich gutes Standardwerk vorlegen, um den entstandenen Schaden zu begrenzen. (fk)

Das grosse Comic-Lexikon
Autor: Marcel Feige
Schwarzkopf und Schwarzkopf-Verlag, Berlin 2001
Etwa 600 Seiten, SC, 20,35 Euro

(Rezension aus Xoomic Nr. 1/März 2002)

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