Küchentisch-Verlegerei:
Ein Fall von Selbstausbeutung
Etliche Comic-Verlage in Deutschland existieren als kleine und kleinste Ein-Mann-Betriebe - manchmal ohne eigene Verlagsräume und nur nebenberuflich betrieben. Das Kapital dieser Verleger: ein Schreibtisch im Arbeitszimmer der Wohnung, ein Computer, ein paar Regale (als Lager) und die eigene Arbeistkraft. Diese so genannten "Küchentischverleger" sind jedoch nicht unwesentlich an der Vielfalt der derzeitigen Comic-Produktion in Deutschland beteiligt. Rechnet man auch semiprofessionell hergestellte Comics mit, dürften Kleinverleger - gemessen an der Anzahl der Titel - für die weitaus meisten Publikationen verantwortlich zeichnen, wenngleich deren Marktanteile nur wenige Prozent beträgt.
Die bevorzugten Spielwiesen der Kleinstverlage sind einerseits Comic-Alben, andererseits natürlich auch Hefte. Erstere sind oft frankobelgische Lizenzen. Bei den Heften ist eine hohe Zahl von einheimischen Produktionen vertreten.
Es ist vor allem in Hinblick auf die meist winzigen Auflagen erstaunlich, dass gerade im Comic-Bereich derart viele ambitionierte Projekte gestartet und auch durchgezogen werden. Bisweilen fehlt es der "Verlagspolitik" vieler Küchentisch-Verleger an Kontinuität (angefangene Serien, die nicht oder nur mit großer Verzögerung fortgesetzt werden). Dies ist jedoch kaum erstaunlich.
Denn in Kleinverleger-Kreisen gilt ein farbiges Comic-Album schon als Erfolg, wenn sich 2.000 Exemplare (fast ausschließlich) über den Comicfachhandel absetzen lassen. Solche Zahlen deuten dann schon auf einen "Blockbuster" hin. Demgegenüber sind Fälle bekannt, bei denen selbst aufwändig produzierte, hochwertige Produkte nur wenige hundert Käufer fanden.
Es dürfte klar sein, dass sich mit solchen Auflagen kein Geld verdienen lässt. Vierfarbdruck hat zwar angesichts moderner Drucktechniken etwas an seinem (Kosten-)Schrecken verloren. Doch gilt es in Kleinverlegerkreisen meist schon als Erfolg, wenn sich durch die Verkäufe die Kosten decken lassen. Und dem liegt fast immer keine vernünftige kaufmännische Kalkulation zugrunde. Vielmehr gilt das Prinzip der Selbstausbeutung.
Viele Kleinverleger machen fast alles selbst. Sie übersetzen, lettern und bearbeiten die Rohdaten am heimsichen Computer. Buchhaltung, Rechnungen und Versand liegen komplett im Aufgabenbereich dieser einen Person. Personalkosten fallen somit keine an und werden selbst als hypothetischer Unternehmerlohn geflissentlich übersehen.
Noch dramatischer sieht es für die zahlreichen Comic-Hefte aus, die in Deutschland publiziert werden. Gerade Independent-Produkte haben hierzulande einen schweren Stand. Als beispielsweise der Verlag Jochen Enterprises vor einigen Jahren dicht machte, gab er - quasi als warnendes Abschiedsgeschenk an künftige Selbstverleger - auch die tatsächlich verkaufte Anzahl seiner Produkte bekannt. Abgesehen von den Büchern des Berlinder Zeichners ©Tom waren diese Zahlen verheerend. Vielses verkaufte sich nur wenige hundert male, die Schlusslichter lagen bei 150 Stück und knapp darüber.
Küchentsichverlegerei entsteht meist aus persönlicher Ambition und dem Traum heraus, sein Hobby zum Beruf zu machen - was unter diesen Bedingungen selten klappt. Vor wenigen Jahren gründete beispielsweise Michael Hug seinen Phoenix-Verlag. Motiviert durch das Vorbild von Eckart Schott (Salleck), der unter ähnlichen Bedingungen seit Jahren ein erstaunlich breites und hochwertiges Programm publiziert, nahm Hug Bankschulden auf, um mit einem Album pro Monat durchzustarten. Der ambitionierte Verlagsgründer konnte jedoch nicht lange durchhalten. Einige Alben erwiesen sich als Flop, die Serien, die besser liefen, konnten die Verluste der schlecht verkäuflichen Serien nicht decken. Hug arbeitet heute als Disponent in einem Getränke-Markt, kündigte jedoch schon mehrfach an, seinen Verlag auf Sparflamme nebenbei weiter zu führen. Salleck-Verleger Schott hingegen hat sich bereits seit längerer Zeit etabliert. Reich wurde er dadurch aber nicht.
Das was bei Kleinverlegern zählt, sind oft Achtungserfolge. Wer plant, im Comic-Bereich aktiv zu werden, sollte nicht nur überaus knapp kaufmännsich kalkulieren, sondern auch lange Anlaufzeiten hinnehmen können. Hauptberuf Comic-Verleger: Für die meisten ein unereichbarer Traum. (fk)
(In der Printausgabe von Xoomic (Nummer 3, September 2002) veröffentlichen wir einen umfangreichen Beitrag zum Thema Kleinverelegrei mit vielen Hintergründen)
|