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Barks: Der Rahmen des Möglichen?

Als das Comicmagazin Speedline im letzten Jahr eine Rangliste mit den hundert besten Comics aller Zeiten aufstellte, landeten die Disney-Comics von Carl Barks ganz oben. Zu seinem hundertsten Geburtstag 2001 waren landauf, landab Elogen auf den langjährigen Mastermind der Disney-Comics zu lesen. Carl Barks, nicht etwa Walt Disney, gilt heute als wahrer Schöpfer der Duck-Dynastie und wird als genialer und allseits unterschätzter Künstler gefeiert.

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Dieser Artikel wurde in der Print-Ausgabe der Comicfachzeitschrift Xoomic veröffentlicht. mehr...

Geboren am 27.3.1901 in der tiefsten Provinz von Oregon, heuerte Carl Barks nach ersten Gehversuchen als Cartoonzeichner 1935 bei den Disney-Trickfilm-Studios in Hollywood als Zeichner an. 1941 ging er dort wieder weg – die zunehmend fabrikmäßig industrielle Filmproduktion behagte ihm nicht. Nach einem gescheiterten Versuch, von einer Hühnerzucht zu leben, zeichnete er ab 1942 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1966 im Dienst der Western Publishing Disney-Comics, die in den Magazinen von Micky Maus und Donald Duck weltweit abgedruckt wurden. Im August 2000 starb Barks, hochbetagt und vielgeehrt.

Carl Barks hat uns ohne Zweifel bleibende Eindrücke hinterlassen. Das Disney-Universum wäre ohne ihn weit karger und viel weniger charmant, als wir es kennen. Er war es, der Entenhausen erst Leben eingehaucht und ihm unverwechselbare Charaktere geschenkt hat. Es war der Witz und der Geist von Barks, der aus der Klamauk-Staffage der Disney'schen Trickfilmfiguren den in sich abgeschlossenen und vollständigen Kosmos von Entenhausen geschaffen hat, mit dem wir wie selbstverständlich aufgewachsen sind. Das ist keine kleine Leistung.

Handwerklich ragt Carl Barks weit über die Masse von Disneys Lohnschreibern und -zeichnern heraus. Ihm ging es in erster Linie darum, seine Leser mit abenteuerlichen und pfiffigen Geschichten zu unterhalten. Dabei hat ihm sein exaktes Gespür für Timing, Pointen und Visualisierung geholfen, den Leser zu fesseln und die Grenzen des Möglichen einer Disney-Story immer wieder zu suchen, zu finden und anzutasten.

Er hat anstelle des schlichten Slapstick, der bis dahin die Cartoons und Comic-Strips von Disney dominiert hatte, jene Mischung aus vergnüglichen Abenteuern, intellektuellem Augenzwinkern und handfesten Gags geschaffen, die seither für die Hefte aus dem Hause Disney zu Maßstab und Messlatte geworden sind.

Mit wenigen Strichen konnte er inhaltliche und räumliche Tiefen schaffen, die seinen Geschichten eine Plastizität gegeben hat, von der die heutigen Disney-Autoren nur träumen können. Carl Barks war vermutlich der beste Szenarist und Zeichner, der je für Disney gearbeitet hat, eingeschlossen Walt Disney selbst.

Aber reicht das aus, um den Lorbeer zu rechtfertigen, den man ihm allerorten flicht? Macht diese Leistung Barks zum größten und wichtigsten Comic-Künstler des vergangenen Jahrhunderts?

Bescheidene Erfolge und später Ruhm sprechen für das typisch verkannte Genie, das seiner Zeit weit voraus war. So sehen ihn auch seine Fans: als van Gogh des Comics. In mancher Hinsicht passt der Vergleich, denn in der Tat erschienen die Barks-Geschichten erst lang nach seiner Pensionierung unter eigenem Namen. Als der Großteil seines Werks längst erschienen und verwertet war, wurde Carl Barks zum greisen Star, zunächst für die engere Gemeinde von Disney-Experten, später für eine breitere Öffentlichkeit, die etwa in Deutschland heute eine eigene "Barks-Library" mit den Geschichten des Meisters sammeln kann. Auch der Preis, den eine Originalseite von Carl Barks inzwischen erzielt, hebt sich weit von dem ab, was andere Comickünstler für ihre Originale bekommen.

Kein Zweifel, Carl Barks hat Disney weit über dessen eigentliches Niveau hinausgehoben, aber dabei blieben die Geschichten und Figuren doch immer im Rahmen, eben typisch Disney. Das Markenzeichen Disney muss sauber bleiben; daher haben die Geschichten, die unter dieser Marke erscheinen, sich akkurat den Wertvorstellungen und dem Geschmack des Amerikas der Sonntagsschulen und Vorgartenverandas anzupassen. Der Firmengründer stellte strenge Regeln auf, was in einer Disney-Geschichte erlaubt ist und was nicht.

Walt Disney hatte ein brillantes Gespür dafür, den Geschmack des durchschnittlichen Amerikaners zu treffen, sei es aus Beobachtungsgabe, sei es, weil er einfach seinen eigenen kleinbürgerlichen Stil zum allgemeinen Maßstab erhoben hat. Wie auch immer, das exakte Ausloten des Massengeschmacks war sein Erfolgsgeheimnis. In Entenhausen bekommt man keine Kinder, sondern nur Neffen und Onkel: Direkte Nachkommenschaft und Sex sind in den Geschichten verboten. Geburt und Tod bleiben ebenso tabu, wie die Darstellung von Blut oder gar bleibenden Verletzungen. Die Regeln signalisieren Zuverlässigkeit und Kontinuität; das Gütesiegel garantierter Familientauglichkeit trägt nicht unerheblich zu Disneys wirtschaftlichem Erfolg bei. Darum gelten die Regeln für Barks so wie für jeden anderen auch, der für das Studio arbeitet.

Carl Barks hat angesichts der rigiden Beschränkungen, mit denen alle Disney-Künstler leben müssen, bemerkenswert witzige und intelligente Comics geschaffen, aber er hat sich nie aus den Fesseln befreit, die Disney seinen Mitarbeitern angelegt hat. Walt Disney zeigt uns eine idyllisch verzerrte Welt vor dem Sündenfall, und Carl Barks ist ihr eloquentester Prophet.

Auch wenn Barks' Zeichnungen in ihrer schnörkellosen, dynamischen Art ausdrucksstärker sind als

vieles andere aus dem Hause Disney, haben sie doch nie den Versuch unternommen, das vorgegebene Disney-Schema zu sprengen. Barks ist nie aus dem Rahmen gefallen, selbst wenn er ihn immer wieder berührt hat. Den Schritt hinaus in die wirkliche Welt hat er nie gewagt. Auch die Figuren, die Carl Barks nach Entenhausen gesetzt hat, entsprechen immer dem Entchen- und Mäuseschema von Übervater Walt: Dagobert, die Panzerknacker, Daniel Düsentrieb und all die andern bleiben bei aller charakteristischen Eigenheit Fleisch von Disneys Fleische und Feder von seiner Feder.

Weil sich Carl Barks nie erfolgreich von Disney gelöst hat, konnte er nie mehr werden als Disneys Herold, und darum müssen wir ihm alle künstlerischen Schwächen zurechnen, die wir auch Walt Disney ankreiden. Zweifellos hatte er genug künstlerisches Potenzial und handwerkliche Souveränität, um auch ohne die Sicherheit von Disneys Infrastruktur im Rücken sowohl künstlerisch als auch materiell auf eigenen Füßen zu stehen. Aber Carl Barks blieb Disney stets treu und schuf wenig außerhalb des Entenhausener Universums. (Einige wenige Ausnahmen bilden eine Hand voll Strips, die er für Warner Brothers schuf).

Entweder er wollte sich keine eigenen Figuren schaffen und keine eigenen Regeln finden: Dann hat er die Beschränkung selbst gewählt und sich wohl unter Wert verkauft. Das ist schade für uns Leser, weil wir nie die Comics lesen werden können, die ein gänzlich entfesselter Carl Barks geschaffen hätte. Oder aber er konnte sich nicht aus dem Rahmen befreien, weil ihn die voraussetzungslose Leere des Neubeginns abgeschreckt hat. Seine Beschränkung auf das Disney-Reich ist dann geradezu tragisch, wenn sie durch puren Horror vacui verursacht wurde.

Über die Gründe, die Carl Barks im Innersten bewogen haben, als Lohnknecht bei Disney zu bleiben, kann man aus heutiger Sicht nur spekulieren. Als Comicautor hat er sich mit dieser Entscheidung seiner eigenständigen Entfaltung beraubt, und damit bleibt er einer, der am Ende nur das ermöglicht, was ihm andere erlauben, egal wie gut er das macht. Die Leistung des Künstlers Carl Barks lässt sich nur unter den Bedingungen einschätzen, die Walt Disney ihm vorgegeben hat – im Guten wie im Schlechten – und damit entzieht sich sein Werk einer selbstständigen Würdigung. Carl Barks wird weiterleben im Werk Walt Disneys, und man wird nie die Leistung Disneys angemessen bewerten können, ohne dabei auch Künstler wie Barks zu berücksichtigen. So bleiben Disney und Barks auch heute noch in unserer Betrachtung untrennbar aneinander gekettet, wie sie es zu Lebzeiten waren. (jd)



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