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Die ultimative Verschwörung: The Invisibles. © Vertigo/ Morrison

Grant Morrison

Von Doom Patrol
zu
Marvel und zurück

Grant Morrison ist ein Mann, der ein Interview in dem amerikanischen Fachmagazin The Comics Journal (Nummer 179) einmal mit der Aussage begonnen hatte, dass sein Geburtshaus, das 1960 - dem Jahr seiner Geburt - ein sehr populäres Mütterheim war, mittlerweile ein Irrenhaus ist.

Obwohl der Schotte aus Glasgow seinen eigentlichen Ruhm (zumindest was Verkaufszahlen angeht) ausgerechnet mit der Nummer Eins der 90er Jahre-Inkarnation des ultimativen Superheldenteams JLA-the Justice League of America erlangt hat (er schraubte die Auflage von mageren 20.000 Exemplaren auf über 120.000), scheint diese Aussage typisch für ihn zu sein; weniger in dem Sinn, dass auch Morrison in den Wahnsinn abgleitet, als durch die Tatsache, dass er immer gerne als enfant terrible des "intellektuellen" Comics verschrien war. Er hat sich dieser Interpretation allerdings auch nicht unbedingt widersetzt.

Erste Schritte in Großbritannien
Seine ersten Erfahrungen als Comicautor machte Morrison, wie viele seiner später in den Staaten erfolgreichen Kollegen (Grant, Moore, Gaiman...) in britischen Publikationen wie der Kaderschmiede englischen Comicschaffens 2000 AD, für die er die Mischung aus Superheldencomic und Rock'n'Roll-Drama Zenith schuf. Weitere Zeitschriften, in denen er veröffentlichte, waren unter anderem Marvel UK oder das Magazin Warrior, einem Forum für neue Talente und ungewöhnliche Ideen, aus dem zum Beispiel die erste Inkarnation des dystopischen V for Vendetta von Alan Moore und David Lloyd stammt.

Für Fans eines seiner erst unlängst abgeschlossenen und vielleicht besten Projekte, The Invisibles, einem Comic über die ultimative Verschwörung, ist vielleicht interessant, daß Morrisons erste Veröffentlichung in Near Myths, die er übrigens auch selber zeichnete, von einem Charakter namens Gideon Stargrave handelt (dieser taucht als alter ego von King Mob nämlich in der Storyline Anarchy in the UK auf).

Die "British Invasion"
Im Zuge des Erfolges von Watchmen (von Alan Moore) lenkten die DC-Talentsucher Mitte der 80er ihr Augenmerk stärker als bisher auf England und wurden 1986 auf den jungen Autor aufmerksam, dessen Ideen für eine Wiederbelebung des Uralt-Superhelden Animal Man für ein erwachseneres Publikum und für einen düsteren Batman-Titel im Stil von Millers The Dark Knight Returns (so war es zumindest gedacht) sie akzeptierten. Die für ein amerikanisches Publikum sehr seltsamen und überdrehten Eskapaden Morrisons in Animal Man, der bereits in ersten Zügen die Tendenz zum Surrealistischen zeigt, wie sie später in Doom Patrol verstärkt wurde (unter anderem taucht am Ende von Morrisons Geschichte er selbst als eine Art düstere Comicgottheit im Trenchcoat auf), wurden von DC wohl als Austoben eines jungen Talents wohlwollend übersehen.

Mit seinem Arkham Asylum waren sie dann allerdings weniger glücklich (was vielleicht eher für als gegen den extrem düsteren und negativen Batman-Band spricht): Die Serie "The Dark Knight Returns" hatte der Ikone Batman so viel neue Popularität verschafft und gezeigt, welches Potential noch immer in ihr steckte, dass man bei DC etwas die Zügel zugunsten der Autoren und Künstler schleifen ließ. Die etwas schwergängige, wenn auch brillante Geschichte über einen Batman, der von den Insassen Arkham Asylums gezwungen wird, sich in den düsteren Gängen und Hallen des Irrenhauses mit seinem eigenen Wahnsinn auseinanderzusetzen, wurde auch noch in Szene gesetzt von Dave McKean (dem Gestalter und Coverartist von Sandman). Keine leichte Kost. Die erste Auflage im Hardcover verkaufte sich rekordverdächtige 200.000 mal und Morrison meint dazu ironisch, dass es 199.000 Käufer bereuten, weil sie etwas anderes erwarteten. Heute ist Arkham Asylum ein Klassiker.

Dennoch hat DC die Investitionen in Morrison - schon wegen des Erfolges von JLA - nie bereut. Auch während seiner abgefahrensten Höhepunkte zum Beispiel zu Zeiten von Doom Patrol verkaufte er sich nie wirklich schlecht. Er schrieb diese Serie seit der Nummer 19 und bewahrte sie immerhin durch die Verwandlung aus einem schlechten Superheldencomic in eine unterhaltsame, wenn auch für manche vielleicht zu schräge Serie über Armaggeddon, Superneurosen und durchgeknallte Wissenschaftler vor dem Aus.

Konsequente Handhabung des eigenen Werkes
Morrison war übrigens schon früh ein Autor, der sich gegen Endlosstorylines wehrte und in den Serien Animal Man und Doom Patrol konsequent jeweils eine große Geschichte zu Ende dachte. Leider sah DC damals noch nicht ein, dass es vielleicht sinnvoller ist, eine gute Geschichte zu beenden als sie nur mehr oder weniger gut mit einem anderen Autor zu Ende zu bringen (das kam erst mit Gaimans Sandman). Animal Man konnte sich zwar mit dem Autor Jamie Delano und Doom Patrol mit dem Team Pollack/McKeever noch einmal zu beachtenswerten Höhen aufraffen; dennoch standen und fielen die Serien mit Morrison, was auf ein schon damals beachtenswertes Stammpublikum schließen ließ.

Ein Autor übt sich in Diversifizierung
In den Folgejahren überzeugte Morrison immer wieder mit Oneshots (Kill your Boyfriend), Graphic Novels (Mystery Play) oder Miniserien (Sebastian O, Kid Eternity, oder Skrull Kill Krew für Marvel), bis 1994 mit den Invisibles wieder auf eine lange Serie einließ.

Selbst von Todd McFarlane erfolgte der Ruf nach einer Story für sein populäres Werk Spawn erfolgte, dem Morrison auch gerne folgte. Der Autor war sich nie zu schade, neben seinen sicher persönlicheren Werken auch für ein Mainstream-Publikum zu schreiben, ohne diese Arbeiten nur als Brotjob zu betrachten.

Zu dieser Zeit hatte er auch verstärkt mit seinem Freund Mark Millar gearbeitet. Mit diesem zusammen riß er vor dem endgültigen Aus noch einmal das Ruder für die mittlerweile etwas dahindümpelnde Serie Swamp Thing (#140-143) herum oder arbeitete an Vampirella für den Verlag Harris und an Flash für DC.

Im deutschen Sprachraum kamen im Carlsen-Verlag schon einige Jahre vor JLA bei Dino die beiden mittlerweile leider vergriffenen Batman-Titel Arkham Asylum und Gothic heraus.

Morrison blieb ein Autor, der sich gerne auf einer Gratwanderung befindet. Um sicherzugehen, dass er mit den Invisibles sein vorläufiges Lebenswerk vollenden konnte, hatte er in eine zeitlang mit DC einen Exklusivvertrag geschlossen, der ihm innerhalb des Verlages eine gewisse Unabhängigkeit garantierte.

...und kein Ende
Seit 1999 arbeitete Morrison, bevor im Herbst 2001 sein neuestes Großprojekt The Filth startete, bei Marvel, für die er neben diversen Miniserien (Marvel Boy, Fantastic Four 1234) die Serie New X-Men übernommen hat. Auch diese Arbeiten sind nicht nur für Kenner des Marvel-Universums von Interesse. Ohne den altbekannten Charakteren einen revisionistischen Anstrich zu verpassen, wie DC dies in den Achtziger und Neunziger Jahren mit ihrem Franchise oft praktizierte, bringt Morrison auch hier seinen typische Weltsicht ein, in der Magie, Pop und Wissenschaft einen Kreisschluß vollführen. Man darf gespannt bleiben. (tr)



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