Jacques Tardi
Jacques Tardi wird am 30. August 1946 in Valence (Frankreich) geboren. Da sein Vater beim Militär angestellt und Teil der französischen Besatzungsmacht in Deutschland in den Folgejahren des zweiten Weltkrieges ist, verbringt er dort die ersten Jahre seiner Kindheit. Trotz des direkten Erlebens der Zeit nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus wirkt sich ein anderes Ereignis prägend auf sein späteres Werk aus: Das Zusammenleben mit seinem Großvater, einem Korsen, der im ersten Weltkrieg gekämpft hatte und diese Zeit nie verbalisierte, sondern schweigend verdrängte. Immer wieder macht sich Tardi in seinem Werk zum Sprachrohr des Großvaters, wobei er einen ganzen Kanon an Stilvarianten verwendet, um sich dem Thema zu nähern. Zunächst in surrealer Übertreibung wie in "Adieu Brindavoine" (1972), einen Band, den er später in den Fin-de-Siècle Pastiche Adele miteinbindet. In diesem Werk, wie auch in "Le démon des glaces" (Der Dämon aus dem Eis, 1974), zeigt sich auch seine Vorliebe für Jules Verne und die Illustratoren und Autoren des 19. Jahrhunderts. Surreal, wenn auch universeller gestaltet bleibt seine Annäherung an das Thema des Krieges in "Die wahre Geschichte des unbekannten Soldaten" (1974). Spätere Arbeiten wie "C'était la guerre des tranchées" (Krieg der Schützengräben, 1982), "Trou d'obus" (Raketeneinschläge, 1984) und "Varlot Soldat" (1998) nach einem Text von Daeninchx zeigen die Brutalität des Konfliktes direkter. Aber auch Ironie (oder Zynismus, wie in folgendem Beispiel), ein weiteres für Tardi typisches Stilmittel, fehlt nicht, wie der der Erstauflage von "Trou d'obus" beigelegte Schlachtfeldbastelbogen belegt.
Nach einem Studium an der École des Beaux-Arts in Lyon, und der Schule der Arts Décoratifs in Paris veröffentlicht er seinen ersten Comic 1969 in Pilote.
Nach einigen Kurzgeschichten (unter anderem nach Szenarien von Jean Giraud) ist die erste lange Arbeit die Politsatire Pierre Christins "Rumeurs dans la Rouerge" (1972). Dem Thema Unterdrückung und Diktatur bleibt er auch mit der fantastischen Geschichte Polonius (1976, mit Picaret) treu, deren grafische Darstellung von Gewalt und Sex in Deutschland zu einer Indizierung der Volksverlag-Ausgabe führt. Im gleichen Jahr beginnt er die Serie Adele (mittlerweile acht Alben), die er zur humoristischen Darstellung einer nihilistischen Lebenseinstellung nutzt. Die einzelnen Alben, zu Anfang noch als geschlossene Storys konzipiert, werden im Lauf der Jahre immer mehr zu einer bewusst sinnlosen Ansammlung von Erzählsträngen. Der Durchbruch - und gleichzeitig der Bruch zu den auf 48 oder 56 angelegten typischen Albenformaten - gelingt ihm mit dem Autoren Forest in der über 200 Seiten langen Geschichte "Ici-Même" (Hier-Selbst, 1977) ab der Nummer 1 des legendären Magazins "A suivre...". Seit diesem Jahr fügt er dem Kanon seiner Themen auch die Adaption von Romanen hinzu (unter anderem von Autoren wie Manchette mit "Griffu"). Besonders herauszuheben sind dabei die schwarzen Krimis von Léo Malet, der zunächst von den Interpretationen als Comic zurückschreckt, dann aber von den akkuraten Wiedergaben Tardis so überzeugt ist, das er vor seinem Tod die Adaption aller seiner Werke genehmigt und Tardi auch eigene Geschichten um den Detektiv Nestor Burma erfinden lässt ("Gueule de bois en plomb").
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