Trondheim, Levis (Teil 2)
Doch damit ist das Phänomen Lewis Trondheim natürlich noch nicht erklärt. Nähern wir uns also einer Betrachtung, die sich freilich nicht auf die Rezeption von Allgemeinplätzen beschränken kann. Erstens: Trondheim ist -nach gängigem Maßstab- ein eher mittelmäßiger Zeichner. Weder beherrscht er extrem variationsreiche Mimik, noch wird man geniale perspektivische Darstellungen und Schatten/Licht- Effekte in seinen Zeichnungen finden. Realistische Zeichnungen, Anatomie u.ä. beherrscht er überhaupt nicht.
ABER: Trondheim zeichnet nur was er kann: Stark vereinfachte Tierfiguren in leicht krakeligem Strich, aber doch klar strukturiert und übersichtlich. Nur das Nötigste aber davon genau die richtige Dosis. Das Einfangen von Räumen und deren Stimmung durch wenige Striche. Lebendige und ausdrucksstarke Panels die ihre Wirkung auch ohne Effekte entfalten können. Also doch genial! Zweitens: Trondheim kann erzählen. Und wie! Weder Weltschmerz noch Belehrung kennzeichnen seine Comics. Er erzählt aus dem Leben. Glaubwürdig und doch reine Fiktion.
Man nimmt ihm alles ab, egal ob seine Comics nun um eine Stubenfliege handelt, die sich in ein riesiges Monster verwandelt, oder ob seine bekannteste Figur Lapinot im einen Album mal Westernheld, im Anderen Durchschnittstyp aus der Jetztzeit ist. Drittens: Trondheims Comics sind autobiografisch. Mit Approximate Continuum Comics legte er ein Buch vor, dessen Titelfigur er selbst und dessen Inhalt sein eigenes Leben und seine Umwelt ist. Er, der introvertiert, manchmal unsicher, bisweilen ungeduldig und wütend ist, verkörpert einen typischen Durchschnittsmenschen mit all seinen Stärken und Schwächen. Selbstbeweihräucherung erspart uns der Autor und das macht ihn sympathisch. Das interessante jedoch ist, daß eigentlich alle seine Comics autobiografisch sind.
Genau die typischen Durchschnittsmenschen, sympathische Mängelwesen die wir in Approximate Continuum Comics kennen gelernt haben, treffen wir auch in seinen anderen Werken an. Da ist es dann völlig egal, wo die Geschichte spielt, es ist sogar nebensächlich, welche Handlung uns aufgetischt wird, denn... viertens: Trondheim ist ein Meister des Mikrokosmos menschlicher Eigenheiten und Abarten, ein Meister der kleinen Situationen und ein exzellenter Beobachter seiner Umwelt. Seine Figuren treffen aufeinander und ein nichtiges Ereignis, ein kleines Mißverständnis entführt uns in witzige, nachdenkliche und unerwartete Dialoge, Situationen und Wandlungen. Genau diese Eigenschaft hat Trondheim den Ruf des Tarantino der Comic-Kunst eingebracht, was natürlich nicht ganz falsch, aber (jawoll!) eben doch völliger Blödsinn ist. Trondheim exerziert nämlich keine Gewaltorgien, die Sprüche seiner Akteure sind auch nicht obercool, gemeinsam ist jedoch das perfekte Gefühl für Timing und überraschende Wendungen.
Lewis Trondheim ist übrigens ein Pseudonym. In Wirklichkeit heißt er Laurent Chabosy und wurde 1964 geboren. Seine Jugend war ereignislos und langweilig (wie man auf jedem Trondheim-Buchdeckel nachlesen kann), und wer noch mehr über den genialen Künstler erfahren möchte, klicke sich auf seine Homepage (fk).
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