Zensur:
Im Visier der
Moralwächter (Teil 1)
Eine Zensur findet in Deutschland angeblich nicht statt. Noch immer ist in der breiten Öffentlichkeit der Irrglaube verbreitet, Zensur würde sich in der Bundesrepublik auf Extremfälle wie Kinderporno-graphie oder rassistische Propa-ganda beschränken. Die Wirklich-keit sieht anders aus. In Deutsch-land existiert eine weltweit ein-malige Institution: Die Bundes-prüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS). Sie kann Schriften, aber auch fast jedes andere Medium - etwa Computerspiele, Videofilme und Online-Angebote - als jugendgefährdend indizieren.
Ein totales Verbot ist eine Indizierung nicht, aber auch weit mehr als nur ein Jugendverbot. Jede öffentliche Werbung für ein indiziertes Medium ist verboten. Das bedeutet, daß in einem Katalog bereits die Nennung des Titels untersagt ist. In einem für Jugendliche zugänglichen Geschäft darf keinerlei Indexware offen ausgelegt werden. Zulässig ist nur die Vorrätighaltung unter dem Ladentisch. Völlig verboten ist der Versandhandel - selbst, wenn der Käufer seine Volljährigkeit - etwa durch eine Kopie des Personalausweises nachgewiesen hat. In aller Regel bedeuten all diese drastischen Beschränkungen für einen indizierten Comic das kommerzielle Aus. Am ehesten können sich noch indizierte Pornocomics auf dem Markt halten, da sie häufig auch in - nur Erwachsenen zugänglichen - Sexshops angeboten werden.
Die Schere im Kopf
Eine fatale Auswirkung der Indizierung ist die Selbstzensur. Viele Verlage haben aus Imagegründen panische Angst, daß auch nur eine einzige Publikation aus ihrem Programm auf den Index gerät. Bei Serien kommt hinzu, daß bei einer Indizierung mehrerer Ausgaben eine Dauerindizierung bis zu einem Jahr möglich ist. Gefährdetes Material wird deshalb oft gar nicht oder nur entschärft veröffentlicht. Bei den Infinity- Neuauflagen von Image-Serien wie Darkness oder Witchblade beispielsweise wurden spritzendes Blut und andere Unappetitlichkeiten oft wegretuschiert. Bei der in den USA sehr erfolgreichen Splatterserie Faust dauerte es lange, bis sich in Deutschland ein Verlag an das gewaltstrotzende Werk heranwagte. Immerhin wurde ein Indizierungsantrag dann doch wegen des Kunstvorbehaltes abgelehnt. Dafür mußte der Verlag freilich erstmal ein wissenschaftliches Gutachten vorlegen. Die Kosten für solche Gutachten können immense Höhen erreichen. Wenn ein Gericht später feststellt, daß eine Indizierung zu Unrecht erfolgte, hat der Verlag auch keinerlei Anspruch auf Ausgleich für seine - oft sehr großen - Umsatzeinbußen. Serien für den Kioskmarkt werden besonders scharf überwacht. Manche Verlage - etwa Infinity bei Spawn - sind deshalb dazu übergegangen, eine entschärfte Kiosk- und eine unzensierte Buchhandelsausgabe ihrer Titel zu veröffentlichen.
Eine kleine Geschichte der deutschen Comiczensur
Gegründet wurde die Bundesprüfstelle 1954 unter der erzkonservativen Adenauer-Regierung. Bestimmte, etwa sogenannte "unsittliche" Schriften konnten zwar bereits von Gerichten verboten werden, aber das ging der damaligen Regierung nicht weit genug. Zu den "Schmutz- und Schundschriften", die man mit der BPS bekämpfen wollte, zählte man vor allem FKK-Schriften und erotische oder gewalttätige Leihbücher, aber auch Comics. Bei der Opposition, prominenten Schriftstellern und dem Deutschen PEN-Zentrum erregten die Regierungspläne massiven Protest - vergeblich.
Schnell begann die BPS mit der "Säuberung" des deutschen Comicmarktes. Damals indizierte Serien wie Akim - Herr des Dschungels oder Sheriff Teddy waren freilich nicht gerade Auswüchse an "blood & gore". Für damalige Verhältnisse wirklich blutrünstige Titel wie die EC-Horrorcomics wurden hierzulande gar nicht erst veröffentlicht.
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