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Magazin: Manga-Spezial

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Manga-Spezial:

4. Die Entwicklung von Manga und Anime nach 1945

Im Gegensatz zu der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg macht es nach 1945 wenig Sinn Manga und Anime voneinander unabhängig zu betrachten. Schon während der japanischen Militärdiktatur war es, wie erwähnt, zu einer Zentralisierung der Verlage und Studios gekommen. Zuweilen faßte man auch doga-Studios und Manga Verlage unter einem Dach zusammen. Damit wurde der Grundstein für die spätere Entwicklung gelegt.

Die amerikanische Besatzungsmacht besann sich zur Umerziehung der japanischen Bevölkerung schon bald einer Methode aus dem Krieg: damals hatte man moralisierende und propagandistische Comics im Stile der Mangas produziert und sie hinter den feindlichen Linien abgeworfen, um die Kampfmoral der kaiserlichen Truppen zu schwächen. Obwohl dieser Taktik wenig Erfolg beschert geblieben war, versuchte man nun mit Hilfe des Manga die Demokratisierung und Umerziehung der Japaner zu forcieren. Deshalb floß sehr viel Geld der Besatzungsmacht in diesen Industriezweig und trug dadurch zu niedrigen Produktionskosten bei. Außerdem kamen der explosionsartigen Entwicklung des Mangas auch noch rein wirtschaftliche Aspekte zu Hilfe. Ausgelaugt vom Krieg und bedrückt von der Not nach Kriegsende, hungerte das 100 Millionen Volk nach billiger Zerstreuung. Die Verlage waren gezwungen umzudenken, hatten sie vor dem Krieg zumeist kolorierte Bildergeschichten, festgebunden und auf qualitativ hochwertigem Papier veröffentlicht, so mußten sie nun auf den Markt reagieren. Ihre Antwort waren einfarbige, schlecht gebundene Mangas auf minderwertigem Papier. Zudem holten sie sich die Stoffe und Künstler im wahrsten Sinne des Wortes von der Straße.

Eine populäre Unterhaltungsform der frühen Nachkriegszeit waren die sogenannten kami-shibai (Papier-Theaterstücke), eine Form des Geschichtenerzählens, die man wohl am ehesten mit dem mittelalterlichen Bänkelsang in Europa vergleichen könnte. Handbemalte Papptafeln boten den Hintergrund für den Erzähler, der seine Geschichten zuweilen noch mit Geräuscheffekten zu untermalen wußte. Es gibt Schätzungen, die besagen, daß zwischen dem Kriegsende und 1953 (dem Beginn des Fernsehzeitalters) bis zu zehn Tausend Menschen mit kami-shibai ihr Geld verdienten und daß bis zu fünf Millionen Menschen pro Tag solche Vorstellungen sahen. Alleine im Raum Tokio gab es mehr als zwanzig Firmen, die ausschließlich Storyboards für diese Art der Unterhaltung produzierten und vielen jungen Zeichnern die Möglichkeit boten ihr Können zu beweisen und zu verfeinern. Gerne übernahmen die Mangaverlage auch die populärsten Geschichten und brachten sie als Serie heraus, so zum Beispiel Ogon Batto (Die goldene Fledermaus). Als dann das Fernsehen das kami-shibai zunehmend verdrängte, fanden dann auch die Zeichner selbst ihre neue Heimat bei den Verlagen.

Eine andere Geschäftsidee der frühen Fünfziger waren die sogenannten kashibon'ya, das System des professionellen Buchverleihs gegen Entgelt. Etwa dreißig Tausend dieser Einrichtungen gab es im Land der aufgehenden Sonne. Dieser spezielle Markt wurden auch von speziellen Mangaverlagen bedient. Sie ließen sich in der Mehrheit im Raum Osaka nieder und nutzten das dort von der Spielwarenindustrie bereits etablierte Vertriebsnetz mit. Die Verlage spezialisierten sich auf künstlerisch wie drucktechnisch hochwertige Erzeugnisse. Die Produktionszeiten für die einzelnen Erzeugnisse wurden wesentlich großzügiger veranschlagt als in jenen Verlagen, die für den freien Markt produzierten. Im Schnitt hatte ein Leihbuchzeichner viermal länger Zeit zur Komplettierung seiner Geschichte als der eines Verkaufsverlages: ein Monat gegenüber einer Woche. Deswegen konnten diese Zeichner auch mehr Wert auf elaborierte Handlungsstränge und detaillierte Zeichnungen legen.

Eine interessante Entwicklung der Nachkriegszeit ist ohne Frage auch die Diversifizierung der Mangas. Im Gegensatz zu Europa und den USA, wo Comics eigentlich zeitlebens hauptsächlich auf ein junges männliches Publikum zugeschnitten waren, finden wir in Japan eine große Bandbreite verschiedenster Comics, die jeweils auf ganz bestimmte Käuferschichten abzielen. Diese Entwicklung nimmt schon in den späten fünfziger Jahren ihren Anfang. Anfangs gleichen die Inhalte der Mangas noch sehr ihren westlichen Verwandten den Comics. Zumeist waren es Geschichten von Heldentum angesiedelt im Sport, bei den Samurai oder in der Zukunft, die auf eine junge, zumeist männliche Leserschaft abzielten. Doch die "neuen Japaner" hörten nicht auf, ihre Mangas zu lesen, auch wenn sie den Kinderschuhen schon längst entwachsen waren. Deswegen, begann man nun, neben den bereits erfolgreichen Stoffen auch Themen aus der Erwachsenenwelt zu verwenden. Unter dem Eindruck der globalen Entwicklungen, wurde von den Amerikanern, ähnlich wie auch in Deutschland, viel Geld in die japanische Wirtschaft investiert, um Japan als westlichen Vorposten an der östlichen Grenze der UdSSR zu stärken. Die japanische Industrie boomte durch diese Finanzspritzen und mit ihr die Mangas. Der Japaner hatte wieder Geld, und wofür sollte er es ausgeben, wenn nicht für seine geliebten Bildergeschichten.

Die Verkaufsmangas erzielten Auflagenrekord auf Auflagenrekord, gleichzeitig brach aber damit der Leihbuchmarkt zusammen. Die Verlage in diesem Feld gingen bankrott und hinterließen eine hohe Anzahl an hochqualifizierten Arbeitskräften. Diese suchten sich jetzt natürlich Arbeit in der boomenden Branche. Ihre Ideen und Stile flossen in die Mangagesamtkultur mit ein und bildeten den fruchtbaren Boden, auf dem die heute so breitgefächerte Kunstform gedieh.

Viele Zeichner wendeten sich vom disneyhaften Stil der Kindermangas ab und beschritten neue Wege. Osamu Tezuka revolutionierte die japanische Mangakunst geradezu. Seine Ideen eröffneten den Zeichnern völlig neue gestalterische Möglichkeiten. Diese neue Form der Zeichnung nannte sich gekiga (Dramatische Bilder). Der Text trat mehr und mehr in den Hintergrund, das Bild wurde dominant. Tezuka war es dann auch der als erster einen Manga speziell für Mädchen (shojo[1] manga) veröffentlichte. In Ribon no kishi (Der Ritter mit den Schleifen) von 1953 muß eine junge Prinzessin in der Verkleidung eines Ritters ihren Thronanspruch verteidigen.

Von diesem Zeitpunkt an bildeten sich die verschiedensten Untergruppen, die alle auf eine ganz spezielle Zielgruppe ausgerichtet wurden. Waren es anfangs nur Jungen und Mädchen, so kamen bald eigene Magazine für erwachsene Männer und seit den Achtziger Jahren dann endlich auch für erwachsene Frauen heraus. Neuerdings scheinen sich sogar Magazine zu etablieren, die auf ein noch älteres Publikum abzielen. Zudem begann neben der altersbezogenen auch noch eine inhaltliche Diversifizierung. Es gibt heutzutage spezielle Magazine für Science-Fiction, Horror, Samurai-, Abenteuer- oder Alltagsgeschichten. In den achtziger Jahren bereicherte der Sach-Manga die Auslagen. Ishinomoris [2] Nihon Kezai Nyumon (Japan GmbH. Eine Einführung in die japanische Wirtschaft, 1986) war der erste dieser Art. Heute gibt es Sach-Mangas über Geschichte, Physik oder Kunst. Gerne greifen die Japaner nach getaner Arbeit zu dieser Art der bildenden Unterhaltung. Auf dem Heimweg, in den überfüllten Pendlerzügen, entgeht man den Blicken des Gegenüber und entspannt sich gleichzeitig nach der Arbeit, indem man seine Nase in den neuesten Manga steckt. Statistiker haben herausgefunden, daß der durchschnittliche Japaner 30 Seiten Manga in der Minute lesen kann.

Das japanische Manga-Magazin unterscheidet sich grundlegend vom westlichen Comic-Heft oder -Buch. Während Comics bei uns zumeist nur eine Geschichte umfassen, oder zumindest nur kurze, zumeist in sich abgeschlossene Geschichten, ist das Manga-Magazin eine Zusammenfassung mehrerer, über viele Episoden angelegter Geschichten. Comics umfassen bei uns selten mehr als 40-50 Seiten und erscheinen zumeist einmal im Monat. Ein Manga-Magazin dagegen besteht aus bis zu 600(!) allerdings monochromen Seiten und erscheint entweder wöchentlich oder zweiwöchentlich. In einem Magazin kann man bis zu achtzehn fortlaufende Geschichten finden, die bei Erfolg dann zusammengefaßt und als festgebundene Bücher auf den Markt gebracht werden.

Mitte der neunziger Jahre schreibt Jaqueline Berndt über die Industrie: "Ein Drittel aller Druckerzeugnisse sind mittlerweile Manga. Monatlich erscheinen rund 300 Manga-Zeitschriften und 400 entsprechende Buchtitel." [3] Mehr als 100 Verlage in Japan teilen sich den Mangamarkt, der allerdings von den großen drei Shueisha, Kodansha und Shogakukan zu 70 Prozent beherrscht wird. Als Beispiel für die sprunghafte Entwicklung der Absatzzahlen sei hier nur kurz die Manga-Wochenzeitschrift für Jungen Shonen Jump angeführt. Startete sie 1968 noch mit einer Auflage von 100 000, so erreichte sie 1984 bereits 4 Millionen Leser und konnte 1991 sogar die 6 Millionen Schallmauer durchbrechen, wöchentlich!! Zum Vergleich, die amerikanische Wochenzeitschrift Newsweek erreichte 1984 etwa 3 Millionen Leser und das bei einer doppelt so hohen Bevölkerung.

Viele der Mangas für Jungen (shonen manga) verzichten auf all zu großen künstlerischen Anspruch und setzen dafür mehr auf Action. Deswegen nehmen sie zumeist die wöchentliche Form an. Der Mädchenmanga hingegen erscheint zumeist im zweiwöchentlichen oder gar im monatlichen Turnus, kann sich also erlauben, mehr auf Inhalte und Stil zu achten. Sie entwickelten zwei völlig verschiedene Erzählstile, deren Verbindung dann eigentlich den Stil des Anime definiert. Der Jungenmanga legte lange wenig Wert auf Gefühlsregungen oder Schönheit. Sein Hauptaugenmerk galt der Darstellung von Action und der linearen Erzählstruktur, ähnlich eines Storyboards für einen Film. Der Mädchenmanga dagegen beschäftigte sich zumeist mit Liebesgeschichten, Gefühlsregungen und Stimmungsumschwüngen. Die Schönheit der Form spielte auch eine weit größere Rolle. Man bediente sich bei den Figuren zumeist des kaukasischen Typs mit großen Augen, überlangen, schlanken Gliedmaßen und bei weiblichen Figuren zusätzlich noch Wespentaille und übernatürlich großer Oberweiten. In die überdimensionierten Augen legten die Zeichner soviel Emotion wie nur möglich, irgendwann schienen die Gesichter nur noch aus Augen zu bestehen. Die Geschichten hatten oft eine assoziativeren Charakter, sprich, klare Aufteilung der Seiten in einzelne Panels [4] wurde im shojo immer seltener, die Bilder flossen ineinander.

In den achtziger Jahren kam es immer mehr zu sogenannten "Querlesern", also Jungen die Mädchenmagazine lasen, oder Mädchen, die sich für die Abenteuergeschichten der shonen-Magazine begeisterten. Als Folge davon kam es zu einer zunehmenden stilistischen Annäherung. Die Augen im Jungenmanga wurden größer, die Geschichten ausgefeilter, angereichert mit romantischen Details. Dagegen schrumpften die Augen im shojo und die Storys bekamen mehr Action und gewannen an Dynamik.

Grundsätzlich muß hier gesagt werden, daß trotz der hohen Auflagen, Mangazeitschriften kein wirklich einträgliches Geschäft waren. Die große Konkurrenz hielt die Preise niedrig. Die Verlage mußten deshalb schon sehr früh nach alternativen Gewinnmöglichkeiten suchen. Wie schon erwähnt, wurden erfolgreiche Serien nochmals als Gesamtausgaben verlegt. Wegen der Länge der Serien konnten sich diese wiederum auf mehrere Bände erstrecken. Doch auch hier konnte man die Preise aufgrund der hohen Veröffentlichungszahlen nicht sehr hoch schrauben. Animation bot einen Ausweg aus diesem Dilemma. Der Erfolg von aus Mangas umgesetzten Fernsehserien wie Kimba oder Eisenfaust Atom ermutigten die Verlage, vermehrt auf die Animation erfolgreicher Mangaserien zu setzen. Merchandising wurde immer wichtiger. Die Verlage erwirtschafteten und erwirtschaften den Großteil ihrer Gewinne mit der Vergabe von Merchandising-Lizenzen. Zudem kurbelt die Ausstrahlung auch den Absatz des Comics an. Der Erfolg kreiert Spin-Offs, die wieder animiert werden und deren Ausstrahlung neues Merchandising möglich macht und außerdem die Nachfrage nach den ursprünglichen Mangas neu belebt. Ein Kreislauf.

Um die Geschichten für jeden attraktiv zu machen, bemühten sich die Animatoren, die zumeist selbst noch als Mangazeichner arbeiteten, um eine Balance zwischen den beiden Stilrichtungen, der in den Zeitschriften verwendet wurde. Schöne, kaukasische Charaktere mit großen, aber nicht überdimensionierten Augen, actionreiche Handlungen, die mit einer Prise Romanze, mal mehr mal weniger heftig, gewürzt wurden. Der Vielfalt der Geschichten war, wie auch schon im Manga, keine Grenzen gesetzt. Im Anime vermischen sich Science-Fiction und Fantasy mit Märchen und Sagen, realer Geschichte und Religion. Man läßt der Phantasie freien Lauf, nach dem Motto: Im Anime ist nichts unmöglich und alles erlaubt!

Die Entwicklung des Anime nach 1945 kann also nicht gesondert betrachtet werden. Anime entwickelte sich auch nicht aus einer Zufälligkeit heraus gerade in Japan. Man muß die Nachkriegsentwicklung in Japan kennen, um zu verstehen, wie Anime so wichtig werden konnte. Waren Manga und doga vor dem Krieg zwei weitgehend voneinander unabhängige Ausdrucksformen, so verschmelzen sie nach dem Krieg mehr und mehr. Schon daß die Bezeichnung sich ändert, von doga zu Anime, gibt uns einen deutlichen Hinweis. Die Zeichentrickfilme wurden immer mehr zu einer filmischen, animierten Umsetzungen bereits vorher gezeichneter Manga. Industrielle Überlegungen spielten hierbei eine große Rolle. Und die waren es auch, die Anime und Manga in den neunziger Jahren zum Exportschlager machten. Anime/Manga sind keine von der Industrie geschaffenen Künste, sehr wohl sind Industrie und Kunst hier aber eine Symbiose eingegangen, die beiden Seiten profitieren ließ.

Mit The White Snake von Yabushita, der Geschichte eines Jungen und seiner unerwiderten Liebe zu einem Mädchen, startete Toei 1958 erfolgreich mit der Produktion abendfüllender Animationsfilme. Seither veröffentlicht Toei mindestens einen Film pro Jahr. Die Inhalte dieser Filme reichen von fernöstliche Sagen bis hin zum Science-Fiction. Schon bald drängten auch andere Studios wie Otogi, Kyodo oder Nihon Eiga in diesen Markt. Die Filme waren allerdings bis auf wenige Ausnahmen keine Meisterwerke sondern nur solide Handarbeit. Enge Produktionszeitpläne verhinderten aufwendige Verfahren. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen verzichteten die japanischen Zeichner auf detailgetreue Zeichnungen oder gar musikalische Zwischenspiele. Statt dessen legte man viel Wert auf schnelle Schnitte, atemberaubende Action, bizarr-traumhafte Settings und nicht zu vergessen Gewalt.

An anderer Stelle wurde schon über den Einfluß des Fernsehens auf die Studios gesprochen. Dies sei jetzt anhand von einigen Zahlen noch ausgeführt. Nach dem Erfolg von Tetsuwan Atomu 1963 schossen neue Studios wie Pilze aus dem Boden. Noch im selben Jahr wurden sechs neue Serien ausgestrahlt. Zwei von Mushi, drei von TCJ und eine von Toei. Zwei Jahre später waren es bereits zwölf, produziert von sieben Studios. Unter ihnen so wichtige wie Ookami shonen Ken (Ken der Wolfsjunge; Toei) und Jungle Taitei (Kimba, Mushi).

Tokyo Movie brachte 1968 einen neuen Trend in die Branche. Mit Kyojin no Hoshi (Der Stern des Riesen) und Moomin (Die Mummins) schuf man einen neuen Standard von Eleganz. Auch mit Sazae-San von 1969, einer Geschichte über die alltäglichen Abenteuer einer Hausfrau, setzte man sich wohltuend vom vorherrschenden Einheitsbrei ab.

In den siebziger Jahren entdeckten die Studios die Sportwelt und schlachteten dieses Genre gehörig aus. Mit Attack No 1(deutscher Titel: Mila Superstar; 104 Folgen), einer Serie über ein weibliches Volleyballteam fing es an, und bald folgten so ziemlich alle anderen Sportarten von Boxen bis Fußball. In dieser Zeit kamen die ersten Serien auch nach Europa und Amerika. In Amerika spielten sie keine große Rolle, da der Markt dort stark von der einheimischen Produktion gesättigt war. In Europa dagegen wurden Kimba, Eisenfaust Atom und andere Serien zu einem großen Erfolg. Speziell zu erwähnen ist hier auch Alps no Shoojo Heidi (Heidi) von 1972 eine Koproduktion der Taurus Film und Toei, die auf einer Romanvorlage der schweizer Autorin Johanna Spyri basierte.

In Amerika fand vor allem die Science-Fiction-Serie Uchyu-Kansen Yamato (Raumschlachtschiff Yamato) großen Anklang. Inhaltlich wird der Zweite Weltkrieg metaphorisch in einen gigantischen kosmischen Krieg umgewandelt. Der Name Yamato ist der Name eines legendären japanischen U-Boots aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Erinnerung daran wird durch die Gestalt des Raumkreuzers noch verstärkt. Es sieht nämlich genau wie ein gigantisches U-Boot aus. Die Geschichte wurde für die Amerikaner umgeschrieben und sogar neu editiert, damit die Reminiszenzen an den Zweiten Weltkrieg aus der Serie verschwanden. Der Regisseur dieser Serie, Matsumoto Reiji, zeichnete auch für eine der bemerkenswertesten Animeserien der späten Siebziger verantwortlich: Ghinga Tetsudo 999 (Galaxy Express 999; 1978-81). Der Geschichte eines Jungen auf der Suche nach Unsterblichkeit und seinen Abenteuern an Bord eines intergalaktischen Reisezuges.

Bendazzi meint über diese Ära: "(...) overall, this mass production requires little attention as far as creativity is concerned.[5] <![endif]> Grundsätzlich muss man diesem Urteil natürlich zustimmen, wenn man nur die schieren Zahlen betrachtet. 1976 wurden so zum Beispiel zweihundert Serien produziert und bis 1983 verdoppelte sich diese Zahl sogar noch einmal. Im Raum Tokio alleine gab es an die zehn Tausend Animatoren. Toei allein beschäftigte Eintausend Zeichner in seinem Hauptsitz in Tokio und sogar noch mehr in seiner Außenstelle in Seoul, Südkorea. Der Branchenriese konnte jeden Tag 26 Minuten Zeichentrick fertigstellen. Das entspricht mehr als dreißig Tausend Einzelbildern pro Tag. Gesendet wurden die Serien zur Prime Time zwischen fünf und sieben Uhr abends von allen acht großen Sendeanstalten des Landes. Die meisten dieser Serien verschwanden wieder. Was Bendazzi jedoch unterschlägt ist, daß trotz Massenproduktion und gedrängten Zeitplänen immer wieder bemerkenswerte Werke herauskamen. Man muß auch kritisieren, dass er die Entwicklung des Manga nicht berücksichtigt. Manga und Anime lassen sich aber, wie dargelegt wurde, nicht trennen. Die Zeichner sind zumeist dieselben. Die Stoffe werden vom einen ins andere Medium getragen und sie interagieren miteinander. Seine Betrachtungsweise ist die eines Intellektuellen, der gute Unterhaltung nicht als Kunst anerkennt.

Der große und endgültige Durchbruch des Anime kam aber 1985 mit der Eröffnung des Videokassettenmarktes. Neben den aufwendigeren, abendfüllenden Spielfilmen für die Kinos etablierten sich jetzt auch noch die sogenannte OVA: Original Video Animation. OVA bezeichnet die Produktion von Animation direkt für Video ohne Umwege über das Fernsehen oder das Kino. OVAs werden weniger aufwendig produziert, verwenden oft Computeranimation anstatt handgezeichneter Sequenzen, erzielen selten Lippensynchronität und verwenden oft Standbilder mit darüber gelegtem Dialog oder einer Offstimme. Dadurch sind die Produktionskosten natürlich vergleichsweise gering und die Produktionszeit entsprechend kurz. Es läßt sich also in kürzerer Zeit mehr Gewinn erzielen.

Mit den OVAs trat der Anime auch gleichzeitig endgültig seinen internationalen Siegeszug an. Videos sind leicht zu transportieren und leicht neu zu synchronisieren, da bei OVAs schon im Original auf Lippensynchronität wenig Wert gelegt wird. Bei den OVAs spielen auch Gewalt, Spiritismus und Pornographie eine wesentlich größere Rolle. 1987 wurden in Japan 1600 Stunden Animation produziert. Darin enthalten sind 24 abendfüllende Spielfilme für das Kino und 72 Filme die ausschließlich für den Videomarkt produziert wurden. Das Merchandising boomte und auch der Kinoanime profitierte von den OVAs. Auch dort stiegen die Besucherzahlen weiter an.

Viele erfolgreiche Mangaserien der letzten Jahre wurden nun auf Zelluloid umgesetzt. Das bekannteste Beispiel ist wohl Akira von 1988 von dem später noch zu reden sein wird. Einer der großen Vertreter des abendfüllenden Anime ist Hayao Miyazaki, der bei Toei als art director für Heidi verantwortlich gezeichnet hatte. Seine wichtigsten Werke waren Kaliostro no Shiro (Cagliostro´s Castle, 1979), Kaze no Tani no Nashika (Nausicaa, 1984) und vor allem Tenku no Siro Rapyuta (Laputa, das Schloß im Himmel) von 1986.

[1] wörtlich: (junges) Mädchen
[3] Shotaro, geboren 1938, ehemaliger Assistent Tezukas
[4] Berndt, J.: Phänomen Manga; Seite 15
[5] Fachbegriff für ein Einzelbild im Comic
[6] Bendazzi, G.: Cartoons; Seite 412



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