Spirou- Spezial (Teil 3)
Stilistische Höhenflüge
Die Episoden, die ab 1950 entstanden, begründeten den typsichen Marcinelle- Stil. Liebevoll gestaltete Dekors, rasante Dynamk und (nunmehr gekonnt eingesetzte) Slapstick-Elemente, ein klarer und sauberer Strich verbunden mit einer schier endlosen Variation an Mimik und Gestik der Figuren kennzeichnen diese Spielart des sogenannten Semifunny- Comic. Die Perfektion, die Franquin hierin entwickelte, bewirkte, daß er über Jahrzehnte und bis heute Vorbild ganzer Zeichnergenerationen wurde.
Die goldenen 50er-Jahre. © Franquin/Dupuis
Aber nicht nur zeichnerisch erklomm Spirou unter der Regie des Genies Franquin neue Höhen, auch inhaltlich wußte er die Serie auszubauen. Er führte Nebenfiguren wie zum Beispiel den Grafen von Champignac, Stephanie, den Bürgermeister und last but not least das Marsupilami ein.
Daneben entwickelte er für die Serie immer wiederkehrende Handlungsschauplätze, wie z.B. den Urwald von Palumbien (wo die Helden das Marsupilami entdeckten) die Kleinstadt Rummelsdorf oder auch das Schloß des Grafen. Damit gelang es ihm einerseits dem Leser eine ihm vertraute Rahmenumgebung zu bieten, die ihm Identifikationsmöglichkeiten boten.
Andererseits eröffneten diese Schauplätze zusammen mit den vielseitigen, mehrdimensionalen Charakteren der Serie ein unerschöpfliches Potential, neue Storys zu entwickeln, die vor Charme, Phantasie und unerwarteten Wendungen nur so sprühten. Unterstützt wurde der Zeichner in seiner Arbeit von etlichen Jungtalenten (Jidehém, Roba, etc.), die Szenarios schrieben oder Hintergründe ausarbeiteten.
Zugute kam der Serie unter der Regie von Franquin zudem der Charakter des Zeichners selbst. Franquin galt als hektisch, chaotisch und nervös, ganz wie eine Essenz der Figur Fantasio und seiner im Jahre 1957 eingeführten neuen Serie Gaston. Andererseits war Franquin ein Perfektionist.
Gaston, der chaotische Redaktionsbote erschien im Magazin Spirou zuerst in Einzelzeichnungen als Dekor für redaktionelle Seiten, später als Halbseiter und ab Anfang der 60er Jahre als ganzseitiger Gagstrip. Mit der Einführung dieser Serie zeichnete sich auch ein langsamer Wandel der Serie Spirou ab. Im Vergleich zu den Anfang bis Mitte der 50er Jahre erschienenen Episoden wichen letzte Einflüsse der "klaren Linie" einem unruhigen, vor Energie und Dynamik berstenden Stil. Die Figuren wurden in Mimik und Gestik so variationsreich dargestellt wie nie, letztlich erreichte kein anderer Comic-Zeichner weltweit jemals eine vergleichbare Perfektion auf diesem Gebiet. Dennoch waren die Seiten klar strukturiert, so daß auch junge Leser nicht überfordert waren. Inhaltlich verabschiedete sich Franquin zunehmend von der Darstellung einer zwar spannenden und abwechslungsreichen, im Prinzip aber schönen heilen Welt.
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